Bitter - Intensiv - SÜSSLICH
Boulevardier
Beschreibung
Alle Zutaten mit Eiswürfeln in ein Rührglas geben und kaltrühren. Anschließend in einen Tumbler auf frische Eiswürfel strainen und mit einer Orangenzeste garnieren. Alternativ: Alle Zutaten mit Eiswürfeln in einen Tumbler geben und verrühren. Nach und nach während dem Rühren Eiswürfel nachlegen bis das Glas komplett voll ist. Mit einer Orangenzeste garnieren.
Zutaten
-3cl Bourbon Whiskey
-3cl Italian Bitter
-3cl roter Vermouth
-Deko: Orangenzeste
Woher kommt der Boulevardier Cocktail?
Der Boulevardier wurde in den 1920er Jahren von Ersine Gwynne erfunden. Gwynne lebte in Paris und war vor Allem bekannt als Herausgeber seines eigenen Magazins, dem “Boulevardier”, nach welchem er auch den Cocktail benannte. Die erste schriftliche Erwähnung des Boulevardier Cocktails in der Fachliteratur erfolgte 1927 in Harry McElhones Buch “Barflies And Cocktails”. Danach wird es aber stellenweise wieder relativ still um den Boulevardier, bis er Anfang der 2000er Jahre im Zuge der Cocktail Renaissance wieder ausgegraben wurde und seitdem stetig an Popularität gewinnt.
Viele beschreiben den Boulevardier als einen “Negroni mit Bourbon”, was theoretisch auch stimmt. Deshalb lag die Vermutung stets nahe, Gwynne hätte sich bei der Kreation des Boulevardiers vom Negroni inspirieren lassen. Der Negroni ist der Sage nach im Jahre 1919 entstanden, wurde in der Fachliteratur allerdings erst Mitte des 20. Jahrhunderts erstmals erwähnt. Das bedeutet, Gwynne hätte das bis dato noch nicht abgedruckte Negroni Rezept aus Erzählungen und Berichten kennen müssen. Neuere Erkenntnisse werfen allerdings eine komplett neue Theorie auf.
Was ist ein Boulevardier?
Die Entstehungsgeschichte des Negroni wird heute immer mehr angezweifelt (zum Teil auch mit durchaus überzeugenden Belegen) und so scheint es immer unwahrscheinlicher, dass der Boulevardier durch den Negroni inspiriert ist. Tatsächlich geht man mittlerweile davon aus, dass der Boulevardier sogar um einiges älter ist. Verweise darauf lassen sich bis auf das Jahr 1909 zurückverfolgen.
In diesem Jahr erschien das für die Barkultur durchaus bedeutsame Buch “Il Vermouth di Torino” von Arnaldo Strucchi. Eine Zeile des Buches, die hier von fundamentaler Bedeutung ist, lautet frei übersetzt:” In Amerika ist es üblich ein Getränk Namens Cocktail aus Vermouth, Bitter und Gin (oder Whiskey) zu mischen.” Beschränkt man sich hier auf den Whiskey, so wird einem sofort auffallen, dass Strucchi hier nichts anderes als einen Manhattan beschreibt. Wäre nicht allzu bedeutungsvoll, hätte man in Europa, vor allem in Italien, nicht ein komplett anderes Verständnis des Wortes “Bitter” gehabt, als in den USA. Natürlich meinte Strucchi Aromatic Cocktail Bitters, deren bekanntester Vertreter heutzutage Angostura Bitters sind. In Italien bezeichnet das Wort “Bitter” aber eine Untergattung der Aperitifliköre, deren wohl bekanntester Vertreter damals wie heute Campari ist. Und tatsächlich, in den Folgejahren tauchen einige europäische Cocktailrezepte auf, die mit Campari anstelle der klassischen Cocktail Bitters experimentieren. Solche Rezepte tauchen in amerikanischen Publikationen erst in den 30er Jahren auf. (Campari existierte in den USA schon seit 1904)
Nun zurück zu Ersine Gwynne und seinem Boulevardier Cocktail: Die europäische Verliebe für Campari in Drinks wuchs auch Anfang der 20er Jahre in Europa stetig weiter und wird bestimmt auch an Gwynne nicht unbemerkt vorbeigegangen sein. Als gebürtigem Amerikaner werden Gwynne aber bestimmt auch die klassischen Konzepte von Cocktails aus den USA durchaus geläufig gewesen sein. In diesem Fall braucht man nur noch eins und eins zusammenzählen. Der Boulevardier ist also nichts anderes als ein Manhattan Cocktail, interpretiert nach europäischem Verständnis.
Wie macht man einen Boulevardier Cocktail?
Zunächst ein paar Worte zur richtigen Präsentation des Boulevardiers: ursprünglich wurde der Boulevardier “straight up”, also ohne Eis serviert. Das macht auch Sinn, ist er höchstwahrscheinlich vom Manhattan Cocktail inspiriert. Grundsätzlich kann man sagen: Cocktails die auf Eis serviert werden sollen kalt bleiben, was impliziert, dass man etwas länger an ihnen trinkt. Cocktails werden nur dann ohne Eis serviert, vertragen sie keine zusätzliche Verwässerung. Das bedeutet aber wiederum, dass man Drinks ohne Eis grundsätzlich eher zügig trinkt, damit sie nicht warm werden. Diese Prämisse existiert seit Ende des 19. Jahrhunderts und hat heute eine ähnliche Gültigkeit wie damals. Was sich allerdings verändert hat (zumindest hierzulande) ist die Art jener Drinks. Der Boulevardier ist ein durchaus intensiver Drink und die Anzahl derer, die einen Cocktail dieses Kalibers zügig genug trinken würden ist heutzutage relativ überschaubar. Deshalb ist es mittlerweile üblich, den Boulevardier on the rocks zu servieren.
Nun zu den Boulevardier Zutaten: Klassische Boulevardier Rezepte zeigen, dass die Zutaten zu gleichen Verhältnissen gemischt werden. Wählt man die richtigen Boulevardier Zutaten, so hält sich diese herangehensweise auch bis heute noch sehr gut. Im nächsten Abschnitt werden wir aber zeigen, dass allein die Wahl des richtigen Wermuts massiv Einfluss auf das Gesamtergebnis haben kann. Deshalb ist es manchmal erforderlich, hier und da kleine Anpassungen am Rezept vorzunehmen, abhängig von den gewählten Boulevardier Zutaten.
Welchen Vermouth verwendet man für einen Boulevardier Cocktail?
Ähnlich wie beim Negroni oder, in diesem Sinne, beinahe allen Cocktails, die aus zwei bis drei Zutaten bestehen, hat die Wahl der einzelnen Bestandteile einen enormen Einfluss auf das Endergebnis. Es gibt dutzende Meinungen, welcher Bourbon nun am besten in einem Boulevardier funktioniert. Und obwohl man sich beim Bitterlikör meistens einheitlich für Campari entscheidet, gibt es auch hier viele Boulevardier Rezepte, in denen mit der Bitterkomponente gespielt wird. Welchen Bestandteil wir aber in diesem Zusammenhang am interessantesten finden, ist der Vermouth. Denn während die Wahl des richtigen Bourbon dem Boulevardier zwar entscheidende Nuancen verleihen kann, ist es doch der Vermouth, der je nach Marke sogar einen komplett anderen Drink zur Folge haben kann. Bei der enormen vielfalt an verschiedenen Vermouth Stilen und Marken durchzublicken ist zwar eindeutig etwas höhere Mathematik, jedoch kann ein kleiner Überblick und die unterschiedlichen Auswirkungen auf das Geschmacksbild eures Boulevardier nicht schaden.
Mit einem klassischen Vermouth di Torino macht man bei einem Boulevardier grundsätzlich nichts falsch. Der Drink bleibt auf der bitteren Seite und der Bourbon wird angenehm hervorgehoben. Anders sieht es da aus, gehen wir eine Qualitätsstufe höher. Ein Vermouth Superiore sorgt für deutlich mehr Fülle im Boulevardier, als es ein klassischer italienischer Wermut tut, allerdings wird der Drink nach unserem Geschmack dadurch auch etwas zu süß. In diesem Fall sollte man entweder den Bourbon-Anteil erhöhen oder Wermut und Campari etwas zurückschrauben.
Mit einem Punt e Mes, oder anderen Wermuts, welche sich stark an Amaros orientieren, erhält man zwar ein sehr spannendes Ergebnis, allerdings sorgen die intensiv herbalen Noten in einem Boulevardier mit Punt e Mes dafür, dass der Campari etwas untergeht. Dadurch ähnelt der Boulevardier etwas zu sehr einem Manhattan, der zwar auch ein guter Drink ist, in diesem Fall aber nicht unbedingt den Sinn der Sache erfüllt. Wählt man also einen Wermut in diesem Stil, so darf hier gerne etwas weniger verwendet werden.
Die unserer Meinung nach besten Ergebnisse erzielten wir mit einem Vermouth im französischen Stil. Durch einen Vermouth Rouge wird der Boulevardier sehr elegant, was nicht zuletzt daran liegt, dass französische Wermuts meist auch ein kleines bisschen trockener sind. Für ein klassisches Zutatenverhältnis von 1:1:1 ist die französische Wermut-Variante also eindeutig unser Favorit. Interessanterweise macht das ja sogar Sinn, lebte der Erfinder des Boulevardier Cocktails ja schließlich in Paris und hat für sein ursprüngliches Boulevardier Rezept auch mit ziemlich großer wahrscheinlichkeit einen eben solchen Vermouth verwendet.